Namenerklärungen
- Hinweise zur Benutzung – unbedingt zuerst lesen
- Hinweise für Wissenschaftler
- Namenbedeutung
- Modulstruktur
- Prinzipien der Namenerklärung
- Sprachliche Rekonstruktion
- Schreibkonventionen
- Namenverzeichnis
Hinweise zur Benutzung – unbedingt zuerst lesen
Was bedeuten die Namen? Diese Frage hat Sie auf diese Seite geführt. Eigentlich ist diese Frage falsch gestellt, denn in der wissenschaftlichen Namenforschung (Onomastik) ist die Bedeutung des Namens etwas anderes als die Bedeutung des Worts, aus dem der Name einst gebildet wurde. Aber was ist sie dann? Worum es auf dieser Seite geht, ist sie Etymologie, Namenerklärung oder Deutung.
So, wie man einen Arztbericht, der sich nicht an Patienten, sondern an ärztliche Kollegen richtet, nicht ohne weiteres versteht, ist auch die namenkundliche Fachliteratur kompliziert – sie wurde eben vor allem für die Wissenschaft geschrieben. In diesem Portal wird hingegen versucht, das Wissen über die Namen in verständlicher und teilweise vereinfachter Form wiederzugeben, was Wissenschaftler vielleicht nicht immer befriedigen mag.
Dabei werden die Namen im Ganzen erklärt – nicht nur das Wort, aus dem die Benennung ursprünglich gebildet wurde (das Grundwort), sondern auch das Wie und Warum der jeweiligen Namengebung, soweit dies heute noch nachvollziehbar ist.
Hierfür haben wir eine modulare Struktur entwickelt. Wie diese funktioniert und warum man bei mehreren Namen oft dieselben Sätze liest, kann man hier nachlesen.
Momentan handelt es sich bei den Namenartikeln nur um Prototypen. Für eine kleine Auswahl von sorbischen Orts- und Familiennamen (ungefähr 150) haben wir getestet, ob unser Konzept funktioniert. Eine Erweiterung ist in Arbeit; es wird aber noch einige Zeit dauern, bis alle niedersorbischen Namen hier erklärt werden können.
Was genau ein “niedersorbischer Name” ist, ist nicht immer leicht zu definieren. Hier geht es jedoch nicht um eine rundum wasserdichte Definition, sondern um die Orts- und Personennamen, die im sorbischen Sprachgebrauch für Ortschaften und Menschen in der Niederlausitz verwendet werden. Diese stehen jedoch in engem Zusammenhang mit den im Deutschen verwendeten Pendants und sind von diesen nicht zu trennen. Deshalb wird die gesamte Benennung erklärt, für die jeweils eine niedersorbische und eine deutsche Namenform existiert.
Wie die Wissenschaft zu ihren Namenerklärungen kommt, ist insbesondere für die Orts- oder Siedlungsnamen ein aufwändiger Weg, der hier kurz erklärt wird. Weil es nur wenige Quellen über die sorbische Sprache in der Frühzeit und im Mittelalter gibt, ist die Sprachgeschichte nur schwer nachzuzeichnen (genaueres hier). In diesem Portal ist es einfach gehalten: Sorbische Orts- oder Siedlungsnamen, die überwiegend im frühen und hohen Mittelalter entstanden, werden als altsorbisch bezeichnet, Familiennamen die sich überwiegend erst in der Neuzeit entwickelten, als niedersorbisch.
Wie altsorbische Namen geschrieben werden, vor allem weshalb bei ihnen ein Sternchen (*) steht, wird hier ebenfalls erklärt. Wer Sorbisch nicht gelernt hat, wird sich mit dem Lesen der Namen vielleicht schwertun. Deshalb gibt es hier eine Hilfestellung.
Hinweise für Wissenschaftler
Die vorliegende Datenbank ist der Prototyp eines Informationsmediums über sorbische Namen, das sich vorrangig an Interessierte außerhalb der Wissenschaft richtet. Dementsprechend ist sie auf Verständlichkeit ausgerichtet. Als Referenz für wissenschaftliche Forschungen – seien sie namenkundlich oder nicht – ist sie nicht geeignet. Natürlich darf auch ein mit der Namenforschung weniger vertrauter Wissenschaftler diese Datenbank als erste Informationsquelle nutzen. Zum Zitieren jedoch ist allein die Fachliteratur maßgeblich, die zum überwiegenden Teil bei den einzelnen Namenartikeln genannt wird.
Im Sinne der Verständlichkeit kann in den Namenartikeln auf viele Details nicht eingegangen werden. Auf die Nennung mancher auch noch denkbaren Namenerklärung musste ebenso verzichtet werden wie auf eine Diskussion unterschiedlicher Forschungsmeinungen oder die Einordnung der einzelnen Namen in die gesamtslawische Onymie. Unerwähnt bleiben auch die historischen Belege, die für die Nutzer hätten kommentiert werden müssen. Hierdurch wären die Artikel aber noch umfangreicher geworden – und sie sind durch die notwendige Kontextualisierung schon lang genug. Außerdem soll dieses Namenportal die gedruckte Literatur nicht ersetzen, sondern auf sie aufmerksam machen und ggf. zu ihrer Benutzung einladen.
Was fehlt, kann vielleicht zukünftig noch ergänzt werden. Ohnehin wird es noch längere Zeit brauchen, bis die sorbischen Namen (bzw. Namen sorbischer Herkunft) umfassend präsentiert werden können. Die für dieses Portal entwickelte modulare Struktur der Namenerklärungen ist auch ein Experiment, und es bleibt abzuwarten, ob nicht noch Änderungen notwendig werden. Zunächst gilt es aber, das allgemeine Interesse an dem zu befriedigen, was landläufig die “Bedeutung” des Namens genannt wird – was sie im wissenschaftlichen Sinne freilich nicht ist.
Dieses Portal ist kein Podium für neue Ideen zur Namenerklärung. Hier kann es (zunächst) nur darum gehen, den Informationsstand der publizierten Literatur wiederzugeben. Es würde Verwirrung stiften, wenn Leser hier etwas geboten bekämen, was in der Literatur (wenn sie denn nachgeschlagen wird) nicht zu finden ist. Sie stünden dann ratlos vor der Frage: Ja, was stimmt denn nun? Für neue Überlegungen sei damit auf die etablierten Publikationswege und den innerwissenschaftlichen Diskurs verwiesen. Erst im Anschluss an diesen können auch diese Seiten ggf. überarbeitet werden.
Im Interesse des Zielpublikums muss manches anders gemacht werden. Dass Fachtermini wie Lexem, Anthroponym usw. hier fehl am Platz sind, dürfte klar sein. Vereinfachend wird davon ausgegangen, dass (die meisten) Siedlungsnamen in einer altsorbischen sprachlichen Umgebung entstanden sind, die Familiennamen hingegen in einem niedersorbischen Umfeld (genaueres hier). Die Grundprinzipien der etymologischen Erklärung der Siedlungsnamen werden ebenso dargelegt wie die wichtigsten Konventionen der Schreibung altsorbischer Etyma und der Umgang mit der niedersorbischen Orthographie. Wichtig hierbei ist möglichste Kürze, denn wer nur neugierig auf irgendeinen Namen ist, nimmt einen zusätzlichen Text allenfalls dann zur Kenntnis, wenn dieser nicht zu lang ist.
Viele Argumentationen galt es im Sinne der Verständlichkeit zu vereinfachen. Hierbei kann auch die Umgangssprache zielführend sein. Die Erfahrung dieses Projekts zeigt, dass es oft schwierig ist, geeignet erscheinende Formulierungen zu finden. Die Artikel sind also nicht einfach flott heruntergeschrieben. Vielleicht wird manches noch modifiziert werden müssen – wir werden zu gegebener Zeit Rückmeldungen der Nutzer analysieren.
Namenbedeutung
Was unter der “Bedeutung” eines Namens zu verstehen ist, ist eine schwierige Frage. Es gibt dazu zahlreiche wissenschaftliche Bücher und unterschiedliche Meinungen. Letztlich ist es auch eine Sache der Philosophie, wie Menschen mittels der Sprache mit individuellen Objekten umgehen. Es ist üblich, von verschiedenen Bedeutungen zu sprechen: Die “lexikalische Bedeutung” meint die Etymologie (bezieht sich also auf die Bildung und Entstehung der Namen), während die “aktuelle Bedeutung” oder “individuelle Bedeutung” das beschreibt, was bei den Nutzern im Gedächtnis wachgerufen wird, wenn der Name genannt wird. Zum Beispiel steht der Name Horno / Rogow für das nach langen Auseinandersetzungen abgebaggerte Dorf. Mit anderen Namen verbindet man bestimmte Erinnerungen: Sympathische oder unsympathische Menschen, den Ort der ersten Liebe, einen schlimmen Unfall usw. Solche Assoziazionen sind meistens gemeint, wenn in der Namenkunde von “Bedeutung” die Rede ist.
Modulstruktur
Für sprachliche Phänomene, die für mehrere Namen relevant sind, wurden spezielle Textbausteine formuliert. Solche Module gibt es für die einzelnen Endelemente (Suffixe), für bestimmte Sachgruppen (z. B. Namen aus Tierbezeichnungen), oder allgemeine Charakteristika der Benennungen. Die Erklärung jedes einzelnen Namens wurde zu großen Teilen aus den jeweils relevanten Textbausteinen zusammengesetzt. Hierdurch entstehen umfassende Namenartikel mit stringenten und verständlichen Erläuterungen, die für ein gedrucktes Lexikon zu lang wären.
Diese Struktur sieht man den Namenartikeln momentan nicht an. Sie zeigt sich aber darin, dass oft die gleichen Sätze bei mehreren Namen zu lesen sind. Man könnte diese Strukturen in Zukunft auch sichtbar machen. Dann wäre erkennbar, dass die Namen nicht voneinander unabhängig sind, sondern durch gleichartige Benennungsweisen miteinander in Beziehung stehen.
Prinzipien der Namenerklärung
Bei der Namenerklärung darf man nicht von den heutigen Schreibungen ausgehen. Die Sprache (sofern sie nicht durch Werke wie den Duden oder das DNW festgelegt bzw. kodifiziert ist) entwickelt sich permanent, weswegen Niedersorbisch und „Hochdeutsch“ heute ganz anders sind als Altsorbisch oder Althochdeutsch. Damit verändern sich auch die Namen. So, wie sie heute geschrieben werden, können sie uns auf eine völlig falsche Spur führen. Wir müssen daher versuchen herauszubekommen, wie die Namen in einer möglichst frühen Zeit lauteten. Dazu brauchen wir möglichst alte Schriftquellen, die uns entsprechende Namenbelege liefern. Leider sind diese Quellen für die ältesten Zeiten sehr selten. Für die meisten Ortsnamen haben wir Belege erst aus dem 14. oder 15. Jahrhundert, mitunter noch später. Bis zu dieser Zeit haben sich Namen, die schon im 9. oder 11. Jahrhundert entstanden sind, aber schon sehr verändert – die ursprünglich im Sorbischen gebildeten Namen wurden auch von Deutschen verwendet. Dadurch veränderte sich ihre Lautung und entsprechend umgeformt wurden sie dann niedergeschrieben. In vielen Fällen können wir daher die ursprüngliche Lautung der Entstehungszeit nicht genau bestimmen, und es bleibt z. B. unklar, ob ein Name aus einem Personennamen oder einem Sachwort (wissenschaftlich: Appellativ) gebildet wurde. Damit ist die Namenerklärung oft schwierig und bedarf auf jeden Fall gründlicher Forschungen.
Sprachliche Rekonstruktion
Heute haben wir es meist mit normierten Schriftsprachen zu tun. Aber eigentlich sind Sprachen lebendig und verändern sich permanent, und zwar einfach so durch den ständigen Gebrauch. Will man Namen erklären, die im frühen und hohen Mittelalter entstanden sind, muss man dies auf der Basis der damaligen Sprache tun.
Das ist aber schwierig, weil diese Sprache nicht direkt überliefert ist, und es bedarf diffiziler Forschungen, um von ihr eine Vorstellung zu gewinnen. Meist hat man dabei die heutigen Nationalsprachen in die Vergangenheit projiziert – das Polnische ist demnach aus dem Altpolnischen entstanden, das Deutsche aus dem Althochdeutschen, das Niederdeutsche aus dem Altsächsischen (dies hier nur sehr vereinfacht!). Auch für das Sorbische gibt es diese Projektion mit dem Altsorbischen. Das ist die Bezeichnung für das mittelalterliche Slawisch im Gebiet bis etwa zu Saale und Fläming.
“Altsorbisch” ist ein in der Namenforschung weit verbreiteter, aber auch vereinfachender Arbeitsbegriff, um dieses regionale Slawische bezeichnen zu können. Er ist aber nicht so zu verstehen, dass es ein altsorbisches “Volk” gegeben hätte. Wie die gesellschaftlichen Verhältnisse damals waren, als was sich die Menschen empfanden, ist eine ganz andere Frage, die schwer zu beantworten ist. Aber es ist unwahrscheinlich, dass sie damals eine “altsorbische” Identität hatten.
Noch im 9. Jahrhundert, also zu einer Zeit, in der in der Lausitz zahlreiche Siedlungen und ihre sorbischen Namen entstanden, gab es eigentlich nur eine einzige, weitgehend einheitliche slawische Sprache. Für deren Entwicklung lässt sich eine Abfolge mehrerer Entwicklungsstufen rekonstruieren, wie beispielsweise Urslawisch, Gemeinslawisch, Ursorbisch, Altsorbisch. Dies ist aber kein starres System, sondern wird in der Wissenschaft immer wieder weiterentwickelt und diskutiert. Überdies haben wir zu wenige Quellen, um alle Namen in eine solche Skala eindeutig einordnen zu können.
In vielen Fällen ist es ausreichend und zweckmäßig, die Entstehung eines Namens weniger zu differenzieren. Auch wenn eine Untergliederung in „altniedersorbisch“ und „altobersorbisch“ der historischen Sprachentwicklung näher kommt, soll es bei der Erklärung der Orts- oder Siedlungsnamen, die überwiegend im frühen und hohen Mittelalter entstanden, in diesem Portal bei „altsorbisch“ bleiben, wie es auch in der Mehrzahl der namenkundlichen Literatur verwendet wird. Familiennamen entwickelten sich hingegen erst später, in der Neuzeit. Damit kann davon ausgegangen werden, dass ihre Grundlage schlicht “niedersorbisch” ist.
Schreibkonventionen
* – rekonstruierte Formen, die nicht unmittelbar schriftlich bezeugt sind (altsorbische Ortsnamen sind fast immer rekonstruiert!). Wichtig: * ist für die Aussprache irrelevant.
_ – Der Unterstrich kennzeichnet Stellen, an denen ein Vokal steht, der nicht genauer zu bestimmen ist – ob dort ursprünglich ein e, i oder anderer Vokal stand, lässt die Überlieferung nicht erkennen. Traditionell wird in der Namenforschung hierfür ein Bindestrich gesetzt – statt *Bron_k wird *Bron-k oder auch *BronVk geschrieben („V“ für „Vokal“). Der Unterstrich verdeutlicht die Leerstelle aber besser.