Vokale (Selbstlaute)
Trotz der Grundklassifikation der Laute in Konsonanten und Vokale lässt sich die artikulatorische Beschreibung der Vokale in den Grundzügen an die der Konsonanten anschließen.
Die Artikulation der Vokale erfolgt ohne Engebildung im Mund- und Rachenraum. Man kann dies als ihre Artikulationsart ansehen.
Alle Vokale haben Stimmton. Geräuschlosigkeit und Stimmton weisen die Vokale als Teilklasse der Sonoranten aus.
Der im Kehlkopf erzeugte Ton wird durch die Stellung der Artikulationsorgane im Mund- und Nasenraum stark verändert. Die Hauptrolle spielt dabei die Lage der Zunge, eine wichtige Rolle spielt aber auch die Lippenrundung.
Vokalqualität
Die Vokalqualität wird entscheidend dadurch bestimmt, wo der höchste Punkt des Zungenrückens liegt. Der Zungenrücken ist das primäre artikulierende Organ (...). Man berücksichtigt als Hauptrichtungen der Zungenbewegung die in der horizontalen (vorn-hinten) und die in der vertikalen (oben-unten) Ebene.
Öffnungsgrad
Hebt sich die Zunge gegen den Oberkiefer, so heißt der entstehende Vokal geschlossen oder oberer Vokal. (...) Senkt sich die Zunge gegen den und mit dem Unterkiefer, so öffnet sich der Mund. Es entsteht ein offener oder unterer Vokal (...). Zwischen den geschlossenen und den offenen Vokalen sind Zwischenstufen wie halb geschlossen und halb offen zu unterscheiden.
Zu den geschlossenen bzw. oberen Vokalen zählen im Niedersorbischen das [i], [ɨ] und [u]. Der einzige offene (untere) Vokal im Niedersorbischen ist das [a].
Vordere und hintere Vokale
Bewegt sich die Zunge im Mundraum nach vorn, so spricht man von einem vorderen Vokal. (...) Bei Bewegung der Zunge nach hinten entsteht ein hinterer Vokal.
Zu den vorderen Vokalen des Niedersorbischen gehören [i], [e], [ɛ] und [ɪ]. [a] ist im Niedersorbischen ein zentraler Vokal (Starosta 1999, S. 15), genauso wie [ɨ]. Hintere Vokale sind für das Niedersorbische [u], [ʊ], [o] und [ɔ].
Zwischen den vier Extremlagen der Zunge (oben-unten, vorn-hinten) wird das sogenannte Vokalviereck aufgespannt. (...) Jeder überhaupt denkbare Vokal hat entsprechend seiner Zungenstellung einen Platz im Vokalviereck. Die Vokalqualitäten, die nach dem IPA unterscheidbar sind, füllen den gesamten Vokalraum aus.
Siehe auch: Internationales Phonetisches Alphabet.
Die Vokale des Niedersorbischen können wie folgt klassifiziert und im Vokalviereck platziert werden:
Zungenposition: vorn-hinten / Öffnungsgrad des Mundraumes (bzw. Zungenrückenposition: hoch–tief) | vorne | fast vorne | zentral | fast hinten | hinten |
---|---|---|---|---|---|
geschlossen (hoch) | [i] | [ɨ] | [u] | ||
fast geschlossen (fast hoch) | [ɪ] | [ʊ] | |||
halbgeschlossen (halbhoch) | [e] | [o] | |||
halboffen (halbtief) | [ɛ] | [ɔ] | |||
offen (tief) | [a] |
Der Laut [ʊ] wird im Niedersorbischen nur als eine der Aussprachevarianten von ‹ó› verwendet.
Lippenrundung
Neben der Zungenstellung spielt die Lippenrundung die entscheidende Rolle bei der Vokalartikulation. Lippenrundung heißt Schließbewegung des Mundes und Verengung des vorderen Mundraumes.
Im Niedersorbischen gibt es das Merkmalspaar gerundet : ungerundet nicht. Zu den gerundeten Vokalen gehören [u], [o], [ɔ] und [ʊ] (Aussprpachevariante von ‹ó›). Sie haben keine ungerundeten Entsprechungen. Alle anderen Vokale des Niedersorbischen sind ungerundet und haben keine gerundeten Gegenstücke.
Vokallänge
In der niedersorbischen Sprache werden Vokale normalerweise nicht lang ausgesprochen. Die Vokallänge ist grundsätzlich irrelevant. Lange Vokale bei der Aussprache indigener niedersorbischer Wörter (z. B. *[jaːjɔ] statt [jajɔ]: jajo) entsprechen nicht der orthoepischen Norm und werden in vielen Fällen als störend empfunden.
Lange Vokale können jedoch in Fremd- oder Lehnwörtern auftreten. Vgl. kaki ‘was für ein’ und kaki ‘Frucht’ (Fremdwort).
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