Niedersorbische Aussprache

Ausspracheunterschiede (niedersorbisch – deutsch)

Für die Mehrheit der Sorbischlernenden ist die Muttersprache Deutsch. Mit Blick darauf sollen auch diejenigen Ausspracheunterschiede zwischen diesen beiden Sprachsystemen besonders herausgearbeitet werden, die sich während der Fertigung der Tonaufnahmen für das Deutsch-niedersorbische Internetwörterbuch als besondere Herausforderung erwiesen haben.

Die hier vorgestellten Phänomene sind meistens dem Kapitel Někotare problemy njemaminorěcnych powědarjow pśi cytanju dolnoserbskich słow (s. Kaulfürst 2019, S. 38-39) entnommen.

Vokallänge

Innerhalb indigener niedersorbischer Wörter werden Vokale normalerweise nicht lang ausgesprochen. Die Länge der Vokale ist grundsätzlich irrelevant. Die Nutzung langer Vokale bei der Aussprache indigener niedersorbischer Wörter (z. B. *[jaːjɔ] statt [jajɔ]: jajo) wird jedoch in vielen Fällen als störend empfunden und entspricht nicht der orthoepischen Norm.

Lange Vokale treten im Normalfall nur in Fremd- oder Lehnwörtern auf. Vgl. kaki ‘was für ein’ und kaki ‘Frucht’ (Fremdwort).

Unterschiede in der Aussprache von Vokalen

Einige Vokale werden im Niedersorbischen anders ausgesprochen als im Deutschen. Dies trifft vor allem auf folgende zu:

Aufgrund der graphischen Ähnlichkeit zum deutschem ö wird ‹ó› oft falsch als [ɵ] (s. Wikipedia-Seite zum Laut), [œ] (s. Wikipedia-Seite zum Laut) oder [ø] (s. Wikipedia-Seite zum Laut). Dies sollte vermieden werden. Richtig ist die Aussprache als [ɛ], [ɨ] bzw. [ʊ] (vgl. die Beschreibung des Buchstabens): bósy, bósy, bósy.

Kein Knacklaut im Niedersorbischen

In der niedersorbischen Standardsprache findet der so genannte Knacklaut (s. Wikipedia-Seite zum Laut) keine Verwendung. Diejenigen Wörter, die mit einem Vokal (bzw. mit einem stummen ‹h› oder ‹w› vor Vokal) anfangen, haben im Anlaut einen weichen Einsatz: ako, hajckaś, hyšći, wobaliś, wuglaŕ.

Um den Unterschied zwischen Aussprache mit Knacklaut (deutscher Typ) und ohne ihn (sorbischer Typ) zu verdeutlichen, werden hier die deutschen Wörter aber, ohne und und in jeweils beiden Varianten nebeneinandergestellt: aber (mit Knacklaut) – aber (ohne Knacklaut), ohne (mit Knacklaut) – ohne (ohne Knacklaut), und (mit Knacklaut) – und (ohne Knacklaut).

Siehe auch: Aussprache von ‹h› und ‹w› im Anlaut vor einem Vokal.

Palatalisierung vor ‹ě›, ‹i›, ‹e›

Bei der Aussprache der Buchstaben ‹ě› und ‹i› gilt es zu beachten, dass der davor stehende Konsonant immer palatalisiert – also weich ausgesprochen – wird (z. B. běły, lěpšy, městko, nět, grěch, biś, nimski, ricaś, pilnosć). Der Buchstabe ‹ě› wird von Nichtmuttersprachlern häufig falsch als [e] oder [e][ɪ̯] und der Buchstabe ‹i› als [ɪ] realisiert, ohne vorherige Palatalisierung des Konsonanten.

‹g›, ‹k›, ‹l› werden vor ‹e› immer palatalisiert (weich) ausgesprochen (z. B. gercyk, keŕcyk, leśeś).

Siehe auch: Palatalisierung, Orthographische Bezeichnung der Weichheit.

Hyperkorrekte Palatalisierung vor ‹ó›

Der Buchstabe ‹ó› kann genauso wie der Buchstabe ‹e› als [ɛ] oder [e] realisiert werden. Während jedoch ‹g› und ‹k› vor ‹e› weich gesprochen werden, bleiben sie vor ‹ó› immer hart. Die weiche Aussprache von ‹g›, ‹k› vor ‹ó› als [gʲ], [kʲ] statt [g], [k] ist nicht korrekt, vgl. gólcyk und gercyk, kórc und sekerc.

Siehe auch: Palatalisierung, Orthographische Bezeichnung der Weichheit.

‹k›, ‹p›, ‹t› werden nicht behaucht

Die durch die Buchstaben ‹k›, ‹p›, ‹t› repräsentierten Obstruenten werden im Niedersorbischen ohne Aspiration realisiert: [k] (kacka), [p] (papa), [t] (takotaś). Im Deutschen werden sie dagegen oft behaucht als [kʰ], [pʰ], [tʰ] ausgesprochen. In der niedersorbischen Standardsprache ist diese Aussprache nicht korrekt.

Unterschiede bei der Assimilierung

Im Deutschen als auch im Sorbischen gibt es mehrere Assimilationsphänomene. Diese wirken jedoch in beiden Sprachen oft unterschiedlich. Im Deutschen wird beispielsweise die Folge ‹s›‹b› (z. B. im Wort Ausbau) als [s][p] realisiert. Beide Konsonanten sind stimmlos. Im Sorbischen dagegen werden in der Kombination ‹s›‹b› (z. B. im Wort pšosba) als [z][b] realisiert: zapšosba. Im Deutschen macht das stimmlose ‹s› das nachfolgende, ursprünglich stimmhafte ‹b› stimmlos. Im Sorbischen macht umgekehrt das nachfolgende stimmhafte ‹b› das vorhergehende ‹s› stimmhaft. Die gleiche Wirkung wie ‹b› auf vorhergehende Buchstaben haben im Niedersorbischen auch ‹d›, ‹g›, ‹z›, ‹ž›, ‹ź›, vgl. anekdota, wótglěd, wótzabyś, wótžariś se, Jezusźiśetko. In all diesen Fällen wird der vorhergehende, ursprünglich stimmlose Konsonant stimmhaft.

Umgekehrt bewirken die stimmlosen Obstruenten, dass vorhergehende stimmhafte Obstruenten stimmlos werden: słabšy, gładki, nałogstwo, razka, lažko, raźcowka.

Im Auslaut dagegen verlieren in beiden Sprachen die stimmhaften Obstruenten ihre Stimmhaftigkeit. Im Niedersorbischen sind dies ‹b›, ‹d›, ‹g›, ‹z›, ‹ž›, ‹ź›: grab, głod, dług, wobraz, juž, gruź.

Siehe auch: Assimilation (Lautangleichung), Unterscheidung stimmhaft : stimmlos.

Aussprache von ‹w›

Im indigenen Wortschatz des Niedersorbischen wird ‹w› (und auch ‹ł›), anders als im Deutschen, nie als labiodentales [v] ausgesprochen. Die korrekte Aussprache ist von der Position abhängig, meistens ist es [w]: ławka, twarog, płony. In einigen Positionen bleibt ‹w› (und auch ‹ł›) stumm: wob, wuś, wšykno, łžycka. Die Aussprache [v] ist nur in Entlehnungen (neben [w]) möglich: grawěrowaś.

Aussprache von ‹š›, ‹ś› und ‹ž›, ‹ź›

In der deutschen Sprache wird nicht zwischen harten und weichen Zischlauten unterschieden. Außerdem gibt es in indigenen deutschen Wörtern kein stimmhaftes Pendant zu sch ([ʃ]). Im Niedersorbischen dagegen werden ‹š›, ‹ś›, ‹ž›, ‹ź› klar unterschieden: ‹š›, ‹ž› werden hart ausgesprochen ([ʂ] bzw. [ʐ]), ‹ś›, ‹ź› dagegen weich ([ɕ] bzw. [ʑ]). Dabei sind ‹š›, ‹ś› jeweils stimmlos, ‹ž›, ‹ź› jedoch stimmhaft auszusprechen. Viele Nichtmuttersprachler unterscheiden nicht zwischen ‹š› und ‹ś› bzw. ‹ž› und ‹ź›, sondern sprechen stattdessen neutrales [ʃ] bzw [ʒ] (s. Wikipedia-Seite zum Laut). Bei einigen fallen im Extremfall alle vier Laute zu [ʃ] zusammen. Beides ist auf jeden Fall zu vermeiden, die Unterscheidung zwischen [ʂ], [ɕ] und [ʐ], [ʑ] ist bedeutungsunterscheidend, vgl. rože (Rosen) und roźe (Präs. 3. Pers. Pl. von gebären), naś (Kraut) und naš (unser) bzw. šariś (spuken) und žariś (sparen), źěło (Arbeit) und śěło (Leiche). Im Wort słušaś hört man nacheinander [s], [ʂ] und [ɕ]: słušaś, im Wort zeźaržany[z], [ʑ] und [ʐ]: zeźaržany.

Siehe auch: Unterscheidung hart : weich, Unterscheidung stimmhaft : stimmlos.